Wie die meisten Indikatoren jetzt erneut zu erhöhter Aufmerksamkeit mahnen
Von Björn Heissenberger, Zürich
(08. Juli 2025)
Am 5. April 2025 veröffentlichte ich an dieser Stelle eine Analyse, die auf ein historisch seltenes Zusammentreffen von Angst, Absicherungsbedürfnis und Panik am Aktienmarkt hinwies. Damals zeigten nahezu alle bedeutenden Marktindikatoren – von der Positionierung institutioneller Anleger (NAAIM), der AAII-Sentimentumfrage, dem Put/Call-Ratio bis hin zu Fear & Greed Index und weiteren Indikatoren ein extremes Übergewicht der Pessimisten am Aktienmarkt. Mein Fazit damals: Die Märkte waren nahe an einem Wendepunkt. Zwei Tage nach Publikation wurde das bisherige Jahrestief markiert, es folgte eine starke und schnelle Erholung, die langsam immer mehr ausgereizt erscheint.
Doch wie so oft in Phasen starker Kursgewinne, dreht sich die Psychologie erneut mit hoher Geschwindigkeit: Aus Angst wird Sorglosigkeit, aus Skepsis wird Zuversicht.
Die aktuelle Indikatorenlage: Ein Umkehrsignal?
Heute, nur drei Monate später, zeigt sich das Bild erneut diametral entgegengesetzt zum Frühjahr:
- NAAIM Exposure Index: Während aktive US-Fondsmanager am Tiefpunkt des Marktes im April noch so defensiv wie selten positioniert waren, notiert der NAAIM-Index inzwischen wieder auf einem hohen Wert von 99 – quasi Vollinvestment. Aus defensiver Aufstellung wurde inzwischen eine offensive Positionierung. Viel mehr kann zumindest von dieser dieser Seite der Anleger nicht mehr an Aktien aufgestockt werden.

- AAII Sentiment Survey: Auch die US-Privatanleger, die noch im Frühjahr überwiegend pessimistisch waren, zeigen laut AAII-Umfrage jetzt ein seltenes Übergewicht an Bullen – die Zahl der Optimisten liegt deutlich über dem historischen Durchschnitt. Typischerweise traten solche Extremwerte an lokalen Hochpunkten auf.

- Put/Call Ratio: Die Nachfrage nach Absicherungen (Puts) ist stark eingebrochen. Das Put/Call Ratio erreicht Werte, die in der Vergangenheit für Sorglosigkeit und Risikofreude stehen, sprich: Es besteht für die meisten Anleger derzeit kein Grund sich gegen Verluste abzusichern.
- Fear & Greed Index: Der von CNN berechnete Index signalisiert aktuell „extreme Gier“ – nach monatelanger Furcht herrscht nun ein kollektiver Optimismus, der ebenfalls selten von Dauer ist.
- Marktbreite (Market Breadth): Während die Aufwärtsbewegung im Frühjahr von einer breiten Marktteilnahme getragen wurde, zeigen inzwischen viele Breadth-Indikatoren (z.B. Verhältnis steigender zu fallenden Aktien im S&P 500), dass die Marktbreite wieder abnimmt und sich die Rally zunehmend auf einzelne Schwergewichte konzentriert – ein klassisches Spätphasenphänomen.
- RSI (Relative Strength Index): Viele wichtige Indizes – allen voran der S&P 500 und der NASDAQ 100 – notieren mit RSI-Werten deutlich über 70, teils sogar Richtung 80. Solche überkauften Zustände waren in den letzten Jahren fast immer Vorboten kurzfristiger Rückschläge.
- Bewertungen (KGV, KBV, EV/EBIT): Während nach den Kursrückgängen im April, aufgrund der reziproken Trump-Zölle, kurzzeitig gute Kaufgelegenheiten erkennbar waren, liegen nun auch die Bewertungen der gängigen Indizes wieder auf erhöhtem Niveau. Auch dies rät zu erhöhter Sorgsamkeit.
Was bedeutet das für Anleger?
Anders als im April, als Angst und defensive Positionierung vorherrschten, sind wir aktuell wieder in einer Phase angekommen, in der die Masse an steigende Kurse glaubt, Absicherungen für unnötig empfindet und Rücksetzer kaum noch für möglich hält. Historisch betrachtet waren dies selten günstige Zeitpunkte, um aggressiv neue Risiken einzugehen. Vielmehr raten historische Vergleiche, Statistik, Wahrscheinlichkeiten und Bewertungen aktuell zu erhöhter Vorsicht.
Das bedeutet nicht, dass eine große Korrektur unmittelbar bevorsteht oder man pauschal aussteigen sollte. Aber die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen: Je einseitiger das Sentiment und die Positionierung, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Märkte zumindest eine Phase der Konsolidierung oder sogar einen größeren Rückschlag erleben.
Fazit
Die Märkte sind keine Einbahnstrasse – gerade die besten Chancen entstehen oft dann, wenn sie auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Während die Indikatoren im April 2025 noch klar für Mut und Entschlossenheit sprachen, mahnen sie aktuell zur Vorsicht und Disziplin. Eine etwas defensivere Positionierung erscheint aus heutiger Sicht sinnvoll – sei es durch gezielte Teilabsicherungen, selektive Gewinnmitnahmen, eine erhöhte Liquiditätsquote, eine stärkere Ausrichtung auf defensive Werte oder eine Kombination dieser Massnahmen.
Keine Marktanalyse – und sei sie noch so fundiert – trifft ausnahmslos immer ins Schwarze. Sie zeigt aber, wann eine rationale, datenbasierte Zurückhaltung angebracht ist und wann eine offensive Ausrichtung mehr Erfolg verspricht.
Unsere vorherigen belegbaren und dokumentieren Marktanalysen finden Sie wie immer auf meinem Blog:
Mit freundlichen Grüssen
Björn Heissenberger
Dieser Bericht stellt weder Anlageberatung dar, noch die Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren. Sprechen Sie vorher mit Ihrem Anlageberater.